SSS-Prüfungstörn – Ein Erfahrungsbericht

SSS-Prüfungstörn – Ein Erfahrungsbericht

Ende September traf ich auf der Pegasus ein – einem Schulungsschiff der Berliner Segelschule Hering – um mich zusammen mit vier anderen Crewmitgliedern auf die SSS-Praxisprüfung vorzubereiten. “SSS” heißt “Sportseeschifferschein”, und ist die höchste praktische Prüfung im deutschen Segelsport. Unsere Skipperin war die Anne Linde, eine tolle Seglerin und sehr erfahrene Trainerin. Die Wetterprognose für die Woche war durchwachsen: Am Anfang und am Ende sollte es schön werden, aber zwischendurch war ein Sturmtief angesagt. 

Am nächsten Tag sind wir dann von Greifswald los Richtung Stralsund. Kaum hatten wir die alte Klappbrücke in Wiek passiert, wurden wir aufgeteilt. Eine Gruppe wurde an den Kartentisch geschickt, um die Route nach Stralsund zu planen, während die andere mit Segelsetzen und Steuern beschäftigt war. Bei gut 4 Windstärken fanden wir schnell heraus, dass die Steuerleute das Schiff schneller segelten, als die Navi-Gruppe die Positionen eintragen und die neuen Kurse berechnen konnte. Das war schonmal ziemlich ernüchternd. Erst nach einer Viertelstunde hatte sich das Gleichgewicht wieder etabliert. Aber es gab uns einen Vorgeschmack auf die kommende Woche: Viele Stresssituationen, viele Kursberechnungen und analoge Navigation, und viele praktische Herausforderungen!

Als wir in Stralsund ankamen, erklärte uns unsere Skipperin, was noch auf uns zukommen sollte. Die Prüfung werde sich in folgende Bereiche einteilen: 

  • Seemannschaft
    • Rettungsmanöver
    • Notfallmanagement
    • Handhabung der Yacht (Bootsführung auf See und im Hafen)
    • Technik an Bord
  • Navigation
    • Papierseekarte und nautische Literatur
    • Navigation mit ECS (electronic chart system)
    • Radar
  • Wetterkunde 

Praktisch bedeutete das, dass wir jeden Tag um neun abgelegt haben, um den ganzen Tag über Rettungsmanöver und Hafenmanöver zu fahren. Zwischendurch gab es Navigationsübungen: Kreuzpeilungen mitsamt Umrechnen in rechtweisende Peilungen, sowie Umgang mit dem Radargerät. Letzteres war ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber die theoretische Grundlage dafür war uns allen bekannt, es ging letztendlich nur darum, sie praktisch anzuwenden. 

Aber am meisten war unser Tag von den MOB- bzw. Boje-über-Bord-Manövern geprägt. Anders als bei der SKS-Prüfung wurde hier ein Quickstoppmanöver gefahren, das lief in etwa so ab: Ab dem Moment, wo die Boje im Wasser landet, wird eine Wende gefahren, wobei die Fock back bleibt. Danach wird die Großschot dicht gelassen, man fährt mit halbem bis achterlichem Wind an der Boje vorbei. Währenddessen müssen allerlei Kommandos gegeben werden (“MOB-Taste drücken, Rettungsmittel bereithalten”) und die Fock wird geborgen. Nach ca. 3-4 Bootslängen dann “Klar zur Halse”, “Fier auf die Großschot”, “Los die Großschot” und “Klar zum Aufschießer”. Beim Aufschiesser darf der Motor mitbenutzt werden, aber man sollte vermeiden, beim Bergen der Boje durchzuwenden. Sprich, die Person, die mittschiffs die Boje birgt, soll bitteschön keinen umherschlagenden Großbaum an den Kopf bekommen!

Unser Übungsgebiet, südlich der Kardinaltonne Trendel-W (oben im Bild)

Unser Übungsgebiet war der Stralsunder Trendel, also der Bereich zwischen Hafennordmole und Kardinaltonne “Trendel W”. Bei den östlichen 5-6 Bft Anfang der Woche war das Gewässer relativ geschützt, aber als der Wind auf Nord drehte, gab es auch ordentlichen Wellengang. Das Wasser wurde regelrecht aus dem Norden in den Hafen gepresst, und die Pegelstände waren 30cm über dem Normalstand. Da wurden die Tage auf dem Wasser zugegebenermaßen recht anstrengend. Es war kalt, der Wind heulte, und es schaukelte wie verrückt. Aber was soll’s! Bei schönem Wetter kann ja jeder so ‘ne Boje aus dem Wasser fischen. So unterschiedlich wir als Crew waren, waren wir uns in diesem Punkt einig. Keine/r hat sich über die Bedingungen beschwert, wir waren alle motiviert und hatten Spaß miteinander. 

Nur an einem Vormittag erbarmte sich unsere Skipperin und ließ uns Theorie machen, anstatt bei einer 6 bis 7 im Regen rauszufahren. Da nahmen wir die Themen Wetter, Notfallmanagement und Motorenkunde durch, kochten Nudeln zum Mittag und kamen uns vor wie im Schlaraffenland!   

Beispiel einer Wetterkarte

 

Symbolerklärung für die Wetterkarte

Es herrschte natürlich auch eine gewisse Anspannung an Bord in Bezug auf die bevorstehende Prüfung. Als ich hörte, dass die Durchfallquote für die praktische Prüfung relativ hoch sei, habe ich versucht, für mich persönlich so oder so eine positive Bilanz aus der Woche zu ziehen. Denn ich habe so viel Neues und Spannendes in der Woche erlebt, dass ich das ganze auch als eine Art intensives Skippertraining hätte betrachten können. Vor allem die Hafenmanöver fand ich wirklich spannend. Vieles war mir neu, wie zum Beispiel rückwärts an eine Spundwand ranfahren, mit einem Kugelfender dazwischen, um dann in die Achterleine einzudampfen, um das Boot längsseits auszurichten. Oder mein Lieblingsableger, vor allem für enge Liegeplätze geeignet: Einfach eine seewärtige Achterleine auf Slipp ausbringen, alle anderen Leinen lösen, dann in besagte Achterleine eindampfen: Das Schiff beschreibt einen eleganten Viertelkreis um die Achse des Pollers bzw. der Klampe herum, sagen wir von 90° auf null Grad. Oben angekommen, löst man die Leine und fährt raus. Großartig! 

Ablegen über die seewärtige Achterleine

Gegen Ende der Woche hatte ich das Gefühl, eine Art Sättigungspunkt erreicht zu haben. Ich fühlte mich voll mit dem ganzen neuem Input und unfähig, mich weiter an den ständigen Diskussionen über die Feinheiten der Theorie zu beteiligen. Ich dachte, besser wird’s nicht, die Prüfer müssen mich schon nehmen, wie ich bin. Und schließlich kamen Freitag früh um 8 Uhr die Prüfer an Bord: Zwei nette ältere Herren, die ihr Bestes taten, um uns die Situation zu erleichtern. Wir fingen mit Hafenmanövern an, mit der freundlichen Unterstützung eines ablandigen Windes, der uns sanft vom Pier weg wehte, nachdem wir die Leinen gelöst hatten. Danach fuhren wir in unser Übungsgebiet für den Rest der Prüfung. Wir fuhren unsere Manöver wie im Schlaf, aber fehlerfrei, stellten uns den Fragen über Radarpeilungen, Motorbrände, Routenplanung, Wetterkunde, und versuchten dabei nicht allzu nervös zu wirken. Von mir selber kann ich sagen, dass es durchaus Fragen gab, die ich nicht beantworten konnte, z.B. “Mit welcher Geschwindigkeit wird ein Radarsignal ausgesendet? (Antwort: Lichtgeschwindigkeit). Aber scheinbar zählte der Gesamteindruck mehr, als einzelne Wissenslücken. Unsere Trainerin meinte, die Prüfer würden besonderen Wert auf die Schiffsführung legen, auf klare Kommandos und eine sinnvolle Creweinteilung. Darüber hinaus sollten wir den Eindruck vermitteln, das Schiff und dessen Bestandteile tatsächlich im Griff zu haben. Scheinbar war das so bei uns allen, denn wir haben alle bestanden! Was für eine Erleichterung!

Nach der Prüfung sind wir bei strahlendem Sonnenschein von Stralsund wieder zurück nach Greifswald gesegelt, haben getankt, das Schiff ausgeräumt und geputzt, und uns verabschiedet.

Nach einer Woche waren wir keine Fremden mehr, sondern eine zusammengeschweißte Crew, die einiges an Höhen und Tiefen durchgemacht hatte.   

Letztendlich war es eine tolle, wenn auch sehr anstrengende Woche, die ich nur empfehlen kann!  

Mike H.

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